VHS-Bildungstelefon (Montag-Donnerstag 08:00–18:00 Uhr, Freitag 08:00–16:00 Uhr):
+43 1 893 00 83 info@vhs.at
Blog

Auf den Spuren des SK Rapid durch Rudolfsheim

An der VHS Rudolfsheim-Fünfhaus wurde eine zweistündige Tour zu den Wurzeln des SK Rapid durchgeführt.

05.11.2021
Eine Zeichnung zeigt den Rudolfsheimer Sportplatz. Die Zeichnung wurde in etwa 1905 gemalt.
Eine Zeichnung vom Rudolfsheimer Sportplatz aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts. Hier spielte Rapid ab 1903. Entlang der Hütteldorfer Straße fährt die Tramway noch im Linksverkehr, rechts ist das damals noch weit größere Areal der Schmelz zu sehen. | © Fritz Böhm

Der österreichische Fußballrekordmeister Rapid ist weitläufig unter dem Begriff„Die Hütteldorfer“ bekannt. Doch wussten Sie, dass die Wurzeln des Vereins eigentlich in Rudolfsheim liegen? Der Leiter des Vereinsmuseums, Laurin Rosenberg, nahm Interessierte in Kooperation mit der VHS Rudolfsheim-Fünfhaus auf eine Reise in die Vergangenheit mit.

Anfangsjahre auf der Schmelz

Wo heute die größte Kleingartensiedlung Europas auf verbautem Gebiet und die Sportuniversität stehen, wurden einst die ersten Lederbälle auf dem Exerzierplatz der K&K-Armee getreten. Von 1897 bis 1899 jedoch noch nicht als Sportclub Rapid, sondern als 1. Wiener Arbeiter Fußballclub – und das auch noch in Blau-Rot! Das Spielfeld wurde damals noch mit Kreide eingegrenzt, von einem heute bekannten Fußballplatz war also nicht wirklich die Rede. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich zahlreiche weitere Vereine rund um die Schmelz an, so zum Beispiel Red Star oder Graphia. 

Meisterhaft war der "Kick" in den Anfangsjahren aber nicht: Hohe Niederlagen standen an der Tagesordnung, weshalb es wohl 1899 zu einem Neustart als „Sportclub Rapid“ kam. Es benötigte noch einige Jahre, bis sich der Erfolg einstellen sollte. Dennoch sammelten sich langsam die Sympathien für den Verein - viele Spieler sowie Anhänger*innen kamen aus anderen Teilen der Monarchie nach Wien und lebten rund um die Schmelz im heutigen 15. Bezirk sowie in Ottakring. Der Arbeiterverein wurde immer populärer, trotz Erfolgslosigkeit hielten Anhänger*innen immer öfter die Treue, der Besuch eines Fußballspieles wurde zur Freizeitaktivität. Heute erinnert ein Denkmal auf Höhe der ASKÖ-Sportanlage an die ersten Jahre des Vereins.

Tourguide Laurin Rosenberg steht vor der Erinnerungstafel auf der Schmelz
Museumsleiter und Tourguide Laurin Rosenberg vor der Erinnerungstafel auf der Schmelz | © Philipp Schneider/VHS

Platz- und Farbwechsel

Nach einem Spaziergang über die Schmelz geht es zur zweiten Spielstätte des noch jungen Vereins: 1903 wurde dem Verein ein Areal an der Hütteldorfer Straße/Selzergasse zugesprochen. Kurios ist die Erzählung, dass der Höhenunterschied zwischen den beiden Toren anfangs rund zwei Meter betrug, was sich die Hausherren oftmals zunutze machten. Im Jahr 1906 gab es einen weiteren Einschnitt von Bedeutung: Die Vereinsfarben wurden von Blau-Rot auf das heute bekannte Grün-Weiß getauscht. Der Grund dafür ist vermutlich der Grünanteil im Rudolfsheimer Wappen. Eine andere Theorie besagt, dass die grün-weiß-grüne Signalscheibe der Straßenbahn entlang der Hütteldorfer Straße (die heutige Linie 49, die alle bisherigen Sportstätten des Vereins verbindet) für die Farbgebung verantwortlich war - aufgrund der hohen Analphabetismusrate in der Monarchie gab es bis 1907 Farbsignale anstatt Ziffern auf den Straßenbahnen zu sehen.

Laurin Rosenberg spricht beim Rudolfsheimer Sportplatz von der ersten richtigen Heimat des Clubs: Viele Spieler und Mitarbeiter siedelten sich in diesem Gebiet an, so auch Dionys Schönecker, welcher aufgrund seiner langjährigen Verdienste als Spieler, Trainer und Funktionär eine Statue vor dem aktuellen Stadion in Hütteldorf bekommen hat. Auch siedelte sich hier das Clubcafé in der Kannegasse an, umliegende Gaststätten wurden vereinzelt als Umkleidekabinen verwendet. Nach einer großen Modernisierung des Platzes benötigte die Stadt Wien aufgrund des Bevölkerungswachstums das Areal plötzlich wieder, der Verein musste erneut übersiedeln. Durch die Investitionen in die kurz darauf nicht mehr genehmigte Spielstätte stand der Verein schon knapp vor dem Ende, zog aber schließlich auf die Hütteldorfer Pfarrwiese um, wo 1912 das erste Spiel stattfand.

Die Straßenbahnlinie 49 und das alte Wappen von Rudolfsheim
Links: Die Linie 49, die heute alle bisherigen Sportstätten des Vereins verbindet. Rechts das alte Wappen von Rudolfsheim - es wird davon ausgegangen, dass Rapid deshalb heute in Grün-Weiß spielt. | © Julian Schneps/VHS

Die Zeit des Nationalsozialismus

Zum Abschluss der rund zweistündigen Tour gibt es einen Zeitensprung in die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich. Vor den ehemaligen Stefaniesäalen in der Huglgasse/Hütteldorfer Straße wird beispielhaft aufgezeigt, welche Verbindungen es zum Teil zur NSDAP gab. Der Besitzer der Stefaniesäale, Karl Kochmann, der auch die Radsportsektion Rapids leitete, galt als überzeugter Nationalsozialist. Insgesamt war die Hälfte der Funktionäre als Mitglied der NSDAP eingetragen, aktive Spieler jedoch nicht. Auch an einer Metallspende-Aktion beteiligte sich der Verein, zahlreiche Pokale wurden dafür eingeschmolzen. Die Rolle des Vereins in dieser Zeit wurde intensiv mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands in Form der Publikation "Rapid unterm Hakenkreuz" aufgearbeitet. Der jüdische Namensgeber Rapids, Wilhelm Goldschmidt, wurde 1942 nach Izbica deportiert und ermordet. Heute erinnert ein Gedenkstein in der Großen Schiffgasse im 2. Bezirk an seine Arbeit.
Laurin Rosenberg erklärt den Teilnehmenden etwas
Die Teilnehmer*innen lauschen interessiert den Erzählungen von Laurin Rosenberg an der Stelle des damaligen Rudolfsheimer Sportplatzes in der Selzergasse. | © Julian Schneps/VHS

Welche Spuren blieben im heutigen 15. Bezirk erhalten?

Nur wenige Erinnerungen aus der damaligen Zeit blieben erhalten - aber viele Traditionen werden noch heute gelebt. Eine enge Verbindung zu Spielern mit Migrationshintergrund ist bis heute erkennbar. Kamen sie in den Anfangsjahren eher aus Böhmen, so gibt es heute zahlreiche österreichische Spieler mit Wurzeln aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei - und viele davon machen noch heute ihre ersten Schritte in den Fußballkäfigen der Parkanlagen in der Umgebung. Vereinslegenden wie Ernst Happel, Andreas Heraf oder Ümit Korkmaz lernten im Reithoffer- beziehungsweise Forschneritschpark die Basics für ihre spätere Karriere. Der Bezirk ist noch heute mit einem großen Anteil an Rapid-Fans vertreten, in Traditionsgasthäusern wie dem Gasthaus Quell oder Mader können grün-weiße Utensilien an den Wänden erspäht werden.

Auf der Schmelz gibt es neben der Denkmaltafel heute den ASKÖ-Sportplatz, außerdem startet hier immer die neue Saison: Im Sportuniversitätszentrum werden jeden Sommer umfangreiche Sport- und Fitnesstests gemacht, ehe die ersten Trainingseinheiten beginnen.

Der Rudolfsheimer Sportplatz wich dem Meiselmarkt, der in den 1990er-Jahren in den Untergrund verschwand. Heute befindet sich ein Wohnbau auf der damaligen Fläche. Geprägt wird die Gegend bis heute vom 76 Meter hohen Kirchturm der Rudolfsheimer Pfarrkirche mitsamt Kirchenuhr, die wohl auch den Zuseher*innen als Orientierung diente.

Ein Foto der Rudolfsheimer Pfarrkirche im 15. Wiener Gemeindebezirk
Die Rudolfsheimer Pfarrkirche am Kardinal-Rauscher-Platz überragt seit 1898 die Gegend rund um den ehemaligen Rudolfsheimer Sportplatz. | © Julian Schneps/VHS

Laufend historische Spaziergänge an der VHS

Geschichte wird an der VHS groß geschrieben: Als Bildungseinrichtung mit über 135-jähriger Tradition sind wir stets bemüht, neue Aspekte aus der Vergangenheit zu erforschen und Interessierten näher zu bringen. Neben historischen Grätzeltouren werden auch vielfältige Spaziergänge angeboten: Von Foto- über Sprachlernspaziergänge bis hin zu Demenz-Spaziergängen gibt es laufend spannendes zu erforschen!