VHS-Bildungstelefon (Montag-Donnerstag 08:00–18:00 Uhr, Freitag 08:00–16:00 Uhr):
+43 1 893 00 83 info@vhs.at
Blog

Friederike (Fritzi) Löwy

In der Reihe: Feministische Geschichte in Bewegung

27.01.2022
Friederike (Fritzi) Löwy | © privat

Friederike (Fritzi) Löwy | 1850 - 1929

Rekordschwimmerin und Holocaust-Überlebende

Das Porträt erscheint anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Jänner.
Fritzi Löwy war eine Sportlerin in den zwanziger Jahren. Sie gewann Meistertitel, brach Rekorde und errang eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft. Sie trainierte im 1909 gegründeten jüdischen Sportverein Hakoah (hebräisch für „Kraft“), der sich zunächst dem Fußball, der Leicht- und Schwer-Athletik und später auch dem Winter- und Wassersport widmete.
„Ich bin durch eine Nachbarin, ein junges Mädel, zum Schwimmsport gekommen. Sie hat gesagt: "Komm einmal mit." Die war in dem Hakoah-Klub. Da war ich zwölf. Mit 13 war ich Jugendmeisterin, mit 14½ österreichische Meisterin, das bin ich zwölf Jahre hindurch geblieben. ...“
Fritzy Löwy, nach einem Zitat auf den Seiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes
Als wichtigster Vereinszweck der Hakoah galt die körperliche Ertüchtigung. Damit wurde auch einem der hartnäckigsten antisemitischen Vorurteile zu Ende des 19. Jahrhunderts entgegengearbeitet, das auf die vermeintliche körperliche Unterlegenheit von jüdischen Menschen abzielte. Der große Zulauf, dem sich viele Vereine und auch die Hakoah erfreute, kam unter anderem von jüdischen Sportler*innen, die in ihren angestammten Vereinen zunehmend Mechanismen der antisemitischen Ausgrenzung ausgesetzt waren.
„Lange vor Hitler war der Antisemitismus da, leider. Die Zeitungen haben über mich geschrieben: „... die polnische Jüdin ..., hat „Quer durch Wien“ gewonnen, eine Schande für Österreich...“
1988, Fritzi Löwy im Interview
Auf antisemitische Ausgrenzung folgte bekanntermaßen die systematische Verfolgung, Gettoisierung und die Massenvernichtung jüdischer und anderer verfolgter Menschen im Holocaust. Fritzi Löwy flüchtete 1939 nach Italien. In Mailand wurde ihre Schwester, Anna Ungar, im März 1944 von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Daraufhin floh Fritzi Löwy zu Fuß in die Schweiz.
Sie lebte in verschiedenen Flüchtlingslagern, etwa in Brissago am Lago Maggiore. Später emigrierte sie nach Australien, um 1949 nach Wien zurückzukehren.
Doch das „offizielle Österreich“ hatte seine einstige Rekordschwimmerin – ebenso wie die anderen medaillenträchtigen „Danube Maidens“ (© Karen Propp) – vergessen. Fritzi Löwy aber ging den Weg des Erinnerns in Zusammenhang mit den katastrophalen Auswirkungen rassistischer Verbrechensideologien auf ihr Leben und ihre Familie.
Ein beschriebenes Stück Papier in ihrem Nachlass listet die Namen ihrer Verwandten auf, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Mauthausen und in Vernichtungslagern in Polen umkamen.
Weitere historische Zeugnisse von Löwy hat eine Fotografin auf einem Flohmarkt in Form von zwei Fotoalben wiederentdeckt und 2008 an die „Sammlung Frauennachlässe“ der Universität Wien übergeben.
Beide Alben thematisieren, visualisieren und verarbeiten die Konsequenzen der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik. Ein Album ist Fritzi Löwys Familie gewidmet und gedenkt ermordeten ebenso wie ins Exil vertriebenen Familienmitgliedern. Im anderen Album dokumentiert Löwy ihre Flucht aus Mailand und ihre Exilzeit in der Schweiz.

Gedenktag am 27. Jänner
Niemals vergessen: Keine Relativierung des Holocaust! Erinnerungskultur neu gedacht.
Das „Nie wieder!“ wird in aktuelle Kontexte gesetzt, die Gefahren totalitärer Machtausübung und Vernichtung von Menschen ins Heute geholt. Das Übernehmen von Verantwortung wird verbreitert – sowohl was die Menschen betrifft, die sich verantwortlich fühlen, als auch was die Verortung betrifft: denn Ausgrenzung, Menschenfeindlichkeit und Rassismus passieren vielen Menschen oft und überall.

Auch dieses Jahr findet eine Gedenkveranstaltung am 27. Januar statt. Die Eröffnung und Einführung findet um 18 Uhr am Wiener Heldenplatz (personell begrenzt) statt und wird von Katharina Stemberger durchgeführt. Es gibt Einblick in Interviews und Interviews, die an verschiedenen öffentlichen Orten Wiens gezeigt werden, Gesang und eine Kranzniederlegung. Die Veranstaltung hat eine Gebärdendolmetschung und wird via Stream ins Internet übertragen. Weitere Informationen auf www.jetztzeichensetzen.at
Linksammlung:
****
Dieser Beitrag wurde erneut veröffentlicht im Rahmen der Jahres-Serie
Geschichten von und über Frauen wurden über Jahrhunderte unterdrückt, nicht erzählt, vergessen. Seit 1911 wird jährlich am 8. März, dem Internationalen Frauentag auf die Rechte der Frauen und den Kampf um Geschlechtergerechtigkeit aufmerksam gemacht.

Wir nehmen dieses bedeutsame Datum zum Anlass, ein Jahr lang vergangene Kämpfe um Gleichberechtigung und deren Protagonist*innen vorzustellen sowie das Schaffen aktueller Feminist*innen zu würdigen.