Am 29. April diskutierten rund 50 Jugendliche und junge Erwachsene, die im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung den Pflichtschulabschluss an der VHS machen oder einen VHS-Brückenkurs besuchen, über aktuelle EU-politische Fragen und entwarfen eigene Lösungsstrategien.
Entscheidungen auf EU-Ebene beeinflussen das Leben und die Zukunft junger Menschen auf vielfältige Weise. Aber wie ist Partizipation möglich und worüber wollen Jugendliche selbst sprechen? Ein vom Publizistik-Institut der Universität Wien, dem Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich und den Wiener Volkshochschulen veranstaltetes Diskussions-Event in der VHS Simmering widmete sich jenen Fragestellungen, die Jugendlichen derzeit unter den Nägeln brennen.
Teilnehmer*innen aus insgesamt zwei Pflichtschulabschlussgruppen und aus zwei Brückenkursen (Vorbereitung für den Pflichtschulabschlusskurs) bestimmten ausgehend von ihren Interessen und Bedürfnissen gemeinsam die Themen für die Veranstaltung.
Themen, die bewegen
So wurden die vier Themenfelder gefunden:
Beruf und Ausbildung
Gesundheit
Krieg und Frieden
Nachhaltigkeit
In den Kursen wurde als Vorbereitung Fragestellungen und Forderungen erarbeitet, um diese in den Workshops des Jugendparlaments mit Studierenden des Publizistik-Instituts zu diskutieren.
Im großen Abschluss-Plenum des EU-Jugendparlaments in Simmering präsentierten die Jugendlichen die Ergebnisse der Workshops und diskutierten diese mit Thomas Weber vom Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich sowie mit Herbert Schweiger, Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen.
Einige Eindrücke vom Europäischen Jugendparlament in Simmering 2022 erhalten Sie in unserem längeren Video:
Problemstellungen, Lösungsstrategien und Forderungen:
Beruf und Ausbildung
Diskriminierung – mehr Aufklärung Die Jugendlichen thematisierten Diskriminierungen sowohl beim Zugang zu Arbeitsplätzen, als auch am Arbeitsplatz selber.
Kinderbetreuung – mehr Plätze Vor allem für junge Frauen stellt der Zugang zu ganztägiger Kinderbetreuung in der Ausbildung oder beim Einstieg ins Berufsleben eine immense Hürde dar.
Sprachkurse – kostenlose Deutschkurse Kostenlose Sprachkurse – vor allem auf höherem Niveaus – sind nicht für alle gleichermaßen zugänglich.
Mehr Ausbildungsplätze Noch immer herrscht ein Mangel an Ausbildungsplätzen. Die jungen Erwachsenen nannten in der Vorbereitung oft den Pflegebereich.
Gesundheit
Günstigere Medikamente Viele junge Erwachsene empfinden die hohen Preise von Medikamenten – vor allem für Kinder – als sehr belastend.
Mehr Sportangebote für Frauen Es wird ein stärkeres politisches Engagement für den Frauensport von den Jugendlichen gefordert.
Mehr Gesundheitsbildung Gesundheit soll schon im Kindergarten und in der Schule einen fixen Platz im Unterricht haben.
Günstigere hochwertige Lebensmittel Hochwertige Lebensmittel sollen erschwinglich sein. Zudem sollen die Inhaltsstoffe transparenter gemacht werden.
Sichere Gesundheitsversorgung Die Jugendlichen thematisierten, dass eine gute medizinische Behandlung teuer ist. Vor allem der schwierige Zugang zu Angeboten im Bereich psychischer Gesundheit (lange Wartezeiten, hohe Kosten) wurde als Problem benannt.
Krieg und Frieden
Im Workshop wurden Ursachen und Auswirkungen von Kriegen diskutiert.
Besserer Zugang zu Wohnungen für Geflüchtete Der sehr oft schwierige und von Rassismus gezeichnete Zugang zu Wohnungen für Geflüchtete wurde von den Jugendlichen aufgezeigt.
Mehr Unterstützung bei psychischen Belastungen Wie schon im Bereich Gesundheit wurde auch in dieser Arbeitsgruppe „mehr Unterstützung bei psychischen Belastungen und schnellerer Zugang zu Ärzt*innen“ als Forderung formuliert.
Keine Abschiebungen, keine Diskriminierung, weniger Vorurteile und keine Verallgemeinerung in Medien Die jungen Erwachsenen berichteten von Rassismus und einer Ungleichbehandlung von Geflüchteten und fordern die Gleichberechtigung ALLER Geflüchteten.
Respektvoller Umgang Auch ein respektvoller Umgang mit Geflüchteten wird gefordert.
Mehr Akzeptanz und Respekt für Religionen Die Jugendlichen fordern mehr Aufklärung zu Religion und Kultur von Geflüchteten und weniger Verbote (z.B. Kopftuch).
Mehr Zugang zur Demokratie Viele Jugendliche sehen Diktaturen als Grund für Kriege und fordern dazu auf die Demokratie zu unterstützen – z.B. die EU kann helfen
Stopp von Waffenproduktion Als problematisch wurde die Waffenproduktion anstatt anderer Produkte verortet.
Nachhaltigkeit
Ausstieg aus Erdöl, Umstieg auf erneuerbare Energien Die Jugendlichen sind wegen der Klimakrise und der Erderwärmung stark besorgt und fordern den Umstieg auf erneuerbare Energien.
Müllreduktion und Umdenken in der Produktion Die Jugendlichen fordern einen Umstieg in der Produktion auf mehr Recycling- und reparierbare Produkte.
Günstige öffentliche Verkehrswege, Radwege, Elektrofahrzeuge Der starke Autoverkehr wurde von den jungen Erwachsenen als Problem in Bezug auf das Themengebiet Nachhaltigkeit benannt. Sie fordern günstige Öffis, mehr Radwege und billigere Elektroautos sowie das Bestärken von Carsharing.
Reglementierung des Flugverkehrs Die Jugendlichen fordern eine Reduktion des Flugverkehrs durch faire Reglementierung.
Günstigere Bio-Lebensmittel Die jungen Erwachsenen sehen die Vorteile einer biologischen und regionalen Ernährung – empfinden die Bio- und regionale Lebensmittel jedoch als zu teuer.
Politische Bildung, die Spaß macht
Das Diskurskonzept für das Europäische Jugendparlament Simmering wurde im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien speziell für die VHS entwickelt. Acht Studierenden übernahmen in den Arbeitsgruppen die Rolle der Moderation. Je drei Uni-Wien und VHS-Teilnehmende wurden im Rahmen der Medienkooperation von Okto-TV und Radio Orange trainiert und gestalteten über das Event eine Radio- bzw. eine TV-Reportage.
„Wer heute den Teilnehmer*innen beim Diskutieren zugehört hat, spürt nichts von angeblicher Politikverdrossenheit. Man sieht, mit welcher Begeisterung sich junge Menschen in der Politik einbringen, wenn sie dabei ernst genommen und gehört werden“, freut sich Herbert Schweiger über den Erfolg der Veranstaltung.