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Ein unbequemer Unbeugsamer

Dr. Hans Schafranek 1951-2022

23.10.2022
Ein Mann in einem schwarzen Pullover 
Dr. Hans Schafranek | © Institut für Zeitgeschichte 

Mit tiefer Bestürzung und Trauer haben wir vom Tod von Dr.Hans Schafranek erfahren. Mit ihm verlieren die Volkshochschulen einen treuen Verbündeten und ich einen Freund.

Unsere Zusammenarbeit hat begonnen, als die DDR und die Sowjetunion noch existierte und wir es geschafft haben, HistorikerInnen in die VHS Brigittenau aus beiden Ländern zu bringen, die gemeinsam über den„Hitler-Stalin Pakt“ diskutiert haben. Weitere Symposien folgten über den„Überfall auf die Sowjetunion“, über „Häftlingsgesellschaft in KZ und Gulag“.

Gemeinsam arbeiteten wir am Projekt „Österreicher in der Sowjetunion“. Unsere Freundschaft misst eine Handspanne von Büchern im Regal, die wir gemeinsam herausgegeben haben. Der höchste Ausdruck für Freundschaft und Vertrauen ist es, sich gegenseitig historisches Aktenmaterial zu überlassen. Als ich in Moskau den Bestand über das Kinderheim Nr. 6 sicherstellen konnte, habe ich es Hans als Kundigerem überlassen, daraus ein Buch zu machen über die Kinder jener Februarkämpfer, die in die Sowjetunion geflüchtet waren und Opfer der stalinistischen Verfolgung wurden.

Hans verdanke ich viele Aktenhinweise und Material – so zum Beispiel über den Handgranatenanschlag der Nazis in Krems im Juni 1933.

Die letzte große Zusammenarbeit war die erste Ausstellung über die Beteiligung von Österreicherinnen und Österreicher in der französischen Résistance, die nicht nur in Volkshochschulen gezeigt, sondern auch vom Institut für Zeitgeschichte übernommen wurde.

Seine Fachkenntnis war legendär, ein Gespräch mit ihm – nie ohne Zigarette – wurde nicht selten zu einer mehrstündigen Vorlesung, gespickt mit Fußnoten, Seitensträngen und Einschüben, ohne Probleme hätte man das Gesprochene druckreif übernehmen können, wenn man seinen zügellosen Ärger über Dummheit und Intrigen herausgenommen hätte. Ich gebe zu, solche stundenlangen„Sitzungen“ haben lange nachgewirkt, aber meinen Anzug habe ich zu Hause immer schon vor der Tür ausgezogen, da dem Rauch nicht anders beizukommen war.

Hans Schafranek war unbeugsam. In den 90er Jahren wurde erwegen Ehrenbeleidigung von dem KPD-Funktionär Emil Carlebach geklagt, der unter anderem die von den Sowjets nach Deutschland ausgelieferte Margarete Buber-Neumann, als amerikanische Spionin denunzierte und die stalinistischen Säuberungen verteidigt hatte. Auch durch solche existenzgefährdenden gerichtlichen Drohungen ließ er sich nicht abschrecken.

Hans liebte das Leben, gutes Essen und Trinken und verfügte über einen besonderen Humor. Seine Persönlichkeit hatte viel Facetten von denen ich einige kennenlernen durfte. Dass er auch eine der größten Sammlungen an High Heels hatte, hat mich immer fasziniert und dass wir in der VHS Hietzing eine kleine Auswahl davon zeigen konnten, bringt das Bild von Hans erst richtig zum Schillern. 

Eines weiß ich sicher, wenn es dort, wo Hans jetzt ist, Apparatschiks geben sollte, gleich welcher Couleur, sie werden kein leichtes Leben haben mit ihm. Er wird sich eine Zigarette mit der anderen anzünden und jedes Gespräch wird zu einer Gerichtsverhandlung über sie werden und sie werden allesamt verlieren in alle Ewigkeit Amen.

Robert Streibel

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