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Aufs Allfälligste: Zum erschütternden Verlust Ralf Leonhards

23.05.2023
„In Kolumbien gäbe es da natürlich noch folgendes Thema…“ , „Peru sollten wir jetzt nicht ignorieren.“ „Ich weiß, das ist jetzt wieder historisch, aber die Monroe-Doktrin jährt sich und vielleicht sollten wir was machen…“ Ralf Leonhard war beileibe kein Mann der Allfälligkeit – wir verdanken ihm als jahrelangen Wegbegleiter des Instituts unzählige ausgezeichnete, punktgenaue und hochrelevante Initiativen. Genau in jenem Moment von Planungssitzungen, wenn schon vieles besprochen und beschlossen war, die oder der Sitzungsleitende müde den Satz „Allfälliges, hat noch wer was?“ hauchte, brachte Ralf noch ein Großthema ein.

Ralf, der nicht nur mehr als wohl fast alle hierzulande über aktuelle Vorgänge in Lateinamerika wusste, sondern dieses Wissen auch auf Basis tiefen historischen Verständnisses ausgezeichnet zu deuten verstand, war ein intuitiver Taktiker. Er muss es als Journalist während der gefährlichen 1980er Jahre in Zentralamerika geworden sein. Oder es war ohnedies schon Teil seiner stets hinterfragenden Natur.

Die Arbeit des LAIs der vergangenen Jahrzehnte ist von Schlüsselereignissen gezeichnet, die es ohne Ralf Leonhard nie gegeben hätte. Die großartige Veranstaltungsreihe „Conquista“, als sich die Ankunft der Spanier in Mexiko zum 500. Mal jährte, ist nur ein Beispiel wichtiger, von Ralf initiierter Veranstaltungen zur Wissensvermittlung über Lateinamerika.

So ist es kein Wunder, dass uns allen die Tränen kamen, als wir am Montag von Ralfs Tod erfuhren. Dieser ebenso bescheidene wie hochkarätige Intellektuelle war ein so wichtiger Teil unserer Gemeinschaft, dass diese ohne ihn kaum vorstellbar ist. Dabei waren wir privilegiert, jemanden wie Ralf Leonhard so selbstverständlich zum eigenen Kreis zählen zu dürfen. Zugleich genauer Beobachter, scharfsinniger Kritiker und zurückhaltender Tatmensch. Einer der lieber genau analysierte, auf Basis dieses Nachdenkens Anstöße gab und dann etwaige Verläufe still korrigierte, als dass er ans Rednerpult gedrängt hätte.

Ralf Leonhard ist und wird immer einer von uns sein. Dass er nicht mehr zu uns sprechen wird, nimmt uns heute die Kraft unserer Stimme. Wir werden sie wieder erheben, in seinem Sinne. Und uns stets erinnern an seine querida presencia.

Andrea Eberl im Namen des LAI-Teams und Berthold Molden im Namen des Vorstandes des Fördervereins des LAIs