Blog

Mr. Beam und die Quanten

Auf den Spuren von Anton Zeilinger

21.10.2022
Der diesjährige Nobelpreis für Physik hat eine der erfolgreichsten und gleichzeitig faszinierendsten Theorien der Physik ins Rampenlicht geholt: Der Quantentheorie kommt eine überragende Bedeutung für das gesamte heutige physikalische Weltbild zu, gleichzeitig stellt sie eine Herausforderung für unsere Vorstellungskraft dar. Tatsächlich würde heute kaum jemand behaupten, die Quantenphysik bis ins letzte Detail verstanden zu haben. Doch das ist im Grunde gar nicht nötig, Quantentechnologien haben längst den Einzug in unseren Alltag gefunden.

Anton Zeilinger: Leben und wissenschaftliche Ausbildung

Mit Anton Zeilinger hat Österreichs populärster Quantenphysiker gemeinsam mit Alain Aspect und John F. Clauser die seit 1901 vergebene renommierteste Auszeichnung für Physik erhalten. Der Physiker wurde 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geboren und konnte sich bereits während seiner Gymnasialzeit in Hietzing für komplexe Zusammenhänge begeistern. Nach der Matura studierte er Mathematik und Physik an der Universität Wien und promovierte unter Helmut Rauch, einem Pionier der Quantenoptik in Österreich. Bald schon beschäftigte er sich mit grundlegenden Fragen der Quantenphysik, habilitierte an der TU Wien und internationale Forschungsaufenthalte folgten.
In der komplizierten Welt der Quantenphysik gibt es theoretisch Teilchen, die es nicht gibt. Oder Teilchen, die sich gleichzeitig nach rechts und nach links bewegen. | © pixabay

Worum geht’s genau in der Quantenphysik?

Zeilinger und seine Kollegen beschäftigen sich in ihrer Forschung mit kleinsten Teilchen – den elementaren Grundbausteinen der Welt – und deren Wechselwirkungen. Daher stammt auch der Name der Disziplin: Das Wort Quant kommt vom Lateinischen „quantum“, was „wie groß“ bzw. „wie viel“ bedeutet. Es beschreibt also etwas Messbares, „Quantifizierbares“. Die Idee, dass Materie nicht unendlich geteilt werden kann, sondern man irgendwann auf kleinste unteilbare Stücke stößt, ist übrigens nicht neu – sie kam bereits bei den Naturphilosophen Leukipp und Demokrit im antiken Griechenland auf. 
Wenn wir die Quantenphysik eines Tages wirklich verstanden haben, wird das noch revolutionärer sein als die Leistungen von Kopernikus und Kolumbus – und zwar für alle, nicht nur für uns Physiker. 

Anton Zeilinger (2005)
Im Zentrum der Forschung von Zeilinger, Aspect und Clauser steht das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung.  Von Quantenverschränkung spricht man, wenn zwei Teilchen auf eine bestimmte Weise miteinander verbunden sind, unabhängig davon, wie weit sie im Raum voneinander entfernt sind. Klingt ein bisschen nach Zauberei, und nicht umsonst spricht man dabei auch von einer „spukhaften Fernwirkung“. Ein kleiner Trost: Nicht nur unser gesunder Menschenverstand tut sich etwas schwer, dieses Phänomen zu begreifen, auch Albert Einstein hatte damit seine Probleme. Obwohl seine Entdeckungen maßgeblich zur Entwicklung der Quantenphysik beigetragen hatten, lehnte Einstein viele ihrer Ideen ab und verdammte das Zufallselement in der Physik. Berühmt geworden ist sein Zitat "Gott würfelt nicht", das sogar bei der Präsentation der diesjährigen Nobelpreise einen prominenten Platz einnahm.

Würfelt Gott nun doch oder wie funktioniert eine Quantenverschränkung?

Nehmen wir an, wir geben Elif und Stefan je eine kleine, undurchsichtige schwarze Schachtel mit je einem normalen Spielwürfel. Beide schütteln ihre Schachteln leicht und gehen nach Hause – Elif nach Währing, Stefan nach Floridsdorf. Wenn sie nach Hause kommen, öffnet jeder die Schachtel und schaut auf die nach oben zeigende Zahl auf dem Würfel.
Normalerweise gäbe es keinen Zusammenhang zwischen den Zahlen, die nun auf den beiden Würfeln in Währing und Floridsdorf nach oben schauen und die Zahl, die Elif auf ihrem Würfel sieht, hat keinerlei Einfluss auf die Zahl auf Stefans Würfel.
„Verschränkte Würfel“ zeigen immer die gleiche Augenzahl, egal wie weit sie voneinander entfernt sind.  | © pixabay
In Analogie zur Quantenmechanik würde ein Aneinanderklopfen der Kästchen die Würfel "verzaubern" und sie auf geheimnisvolle Weise miteinander verbinden oder eben verschränken: Sobald beide zu Hause ankommen, ihre Schachteln öffnen und die Zahlen betrachten, zeigen plötzlich beide Würfel dieselbe Zahl – sie sind trotz einiger Kilometer Entfernung miteinander verbunden. Quantenteleportation bedeutet also, dass ein bestimmter (Quanten-)zustand eines Teilchens an ein anderes Teilchen an einem anderen Ort übertragen wird. Es handelt sich dabei nicht um das, uns aus Filmen bekannte Bild vom Beamen von Menschen und Gegenständen an andere Orte, sondern die Übertragung von definierten Zuständen.

Quantentechnologien in unserem Alltag

Die Verschränkung zu verstehen und zu nutzen, ist der Schlüssel zur Entwicklung vieler Spitzentechnologien. Wir nutzen Errungenschaften der Quantenphysik wie selbstverständlich im Alltag mit unseren Handys, an der Supermarktkassa oder auch bei Laserdruckern. Auch wenn viele Fragen bis heute nicht gänzlich geklärt sind, eröffnet die neue Generation von Quantentechnologien zahlreiche wirtschaftliche, medizinische aber auch militärische Anwendungsmöglichkeiten.

Spuren der Nobelpreisträger an den Wiener Volkshochschulen

Anton Zeilinger war im Rahmen von „University Meets Public“ – einem Teil des heutigen Science Programms  – am 28. März 2012  in der VHS Meidling zu Gast und referierte vor einem vollen Saal über „Die Welt der Quanten: Wo Einstein nicht recht hatte.“ 
Dabei ist Zeilinger nicht der erste Nobelpreisträger, der einen Vortrag an den Wiener Volkshochschulen gehalten hat. Am 13. Jänner 1921 hielt Albert Einstein einen vom Wiener Volksbildungshaus Urania organisierten großen öffentlichen Vortrag im Wiener Konzerthaus vor über 3.000 Personen. Die Veranstaltung, die Einstein im Übrigen wegen seiner "nicht sehr kräftigen Stimme" zunächst in einem nicht allzu großen Saal halten wollte, blieb der einzige öffentliche Vortrag, den Einstein in Österreich vor einem derart großen Publikum hielt.
Wir freuen uns jedenfalls schon auf zukünftige Vorträge von Nobelpreisträgern und vor allem auch Preisträger*innen an den Wiener Volkshochschulen. Und wer weiß, vielleicht dürfen wir in ein paar Jahren schon von einer*m der Jungforscher*innen berichten, die heute im Science Programm vortragen.

Weiterführende Links

Albert Einstein und die Wiener Volksbildung
Schwerpunktreihe Quantenphysik im Science Programm
Mehr Vorträge und Webinare aus der Welt der Wissenschaft